Kostenbach – Kasteler Berg: Tafel 3
Der Brudermord im "Gehemm"
Die Geschichte eines Wegekreuzes im Löstertal aus dem Jahre 1739
Man schrieb das Jahr 1739. Die Löstertaldörfer Kostenbach, Buweiler und Rathen waren Filialen der Pfarrei Kastel innerhalb der Herrschaft Schaumberg. Die Herrschaft gehörte zu Lothringen. Zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten mussten die Einwohner der drei genannten Löstertaldörfer zum Pfarrort Kastel. Der von Kostenbach nach Kastel führende Weg trägt heute noch den Namen "Kirchenpfad". Die mundartliche Bezeichnung "Gehemm" (von "heimgehen") für einen auf der Anhöhe zwischen den beiden Dörfern liegenden Hain, rührt wohl auch aus dieser Zeit her.
In jenem Jahr 1739 war es also, als ein junger Mann aus Kostenbach im Pfarrort Kastel ein Mädchen kennenlernte. Die Bekannschaft wandelte sich bald um in eine gegenseitige Liebe, die scheinbar durch nichts mehr zu erschüttern war. Die Tragik des Schicksals aber wollte es, dass sich der jüngere Bruder dieses Burschen in das gleiche Mädchen in Kastel verliebte. Dieses aber hatte dem älteren Bruder schon ihr Wort gegeben, und so musste der Jüngere eine Niederlage einstecken. Dieser, von Natur aus sehr jähzornig, lebte von nun an mit dem älteren Bruder auf Kriegsfuß. Doch seinen Plan gab er noch nicht auf, so schnell wollte er sich nicht geschlagen bekennen. Aber auch alle Kabale, die er bei dem Mädchen gegen seinen älteren Bruder auszuspielen versuchte, schlugen fehl. Alle weiteren Werbungen wurden abgewiesen. Da reifte in dem Jüngeren ein furchtbares Vorhaben. Und eines Tages, als der Jähzorn ihn wieder übermannte, drang er zur Ausführung seines satanischen Planes. Es war ein sommerlicher Sonntagabend, als er auf der Berghöhe in jenem Hain, den der Volksmund heute noch als "Gehemm" bezeichnet, seinen Bruder auf der Heimkehr von Kastel erwartete. Er erwartete ihn aber mit einer Flinte.
Der Ältere ahnte wohl nichts von dem furchtbaren Rachefeldzug des eigenen Bruders, sonst hätte er gewiss einen anderen Weg gewählt. Im "Gehemm" aber sprang plötzlich eine vermummte Gestalt hinter einem Busch hervor. Ein Schuss durchriss die nächtliche Stille! Der ältere Bruder wälzte sich in seinem eigenen Blut. Der Mörder konnte nur noch - wahrscheinlich mit Befriedigung - den sofortigen Tod seines Bruders feststellen. Er schleppte ihn vom Wege ab in den Wald, damit kein anderer die Leiche finden konnte. Dann ging der "Parricida" durch die Nacht hinunter ins heimatliche Dorf. Mitten im Schlaf weckte er seine Eltern auf. Er riet ihnen, sofort zum "Gehemm" zu gehen. Er habe dort einen schweren Hirsch erlegt, der nach Hause geschafft werden müsse, bevor am Morgen dort die Kirchgänger vorbeikämen. Er selbst sei zu müde, um diesen Weg jetzt noch einmal zu gehen. Die Eltern schenkten ihrem Jüngsten Glauben und begaben sich mitten in der Nacht zum "Gehemm". Sie kamen ins "Gehemm" und suchten die von ihrem Buben bezeichnete Stelle. Sie erblickten einen dunklen Fleck und gingen darauf zu. Aber es war kein Hirsch, den sie fanden. Es war ein Mensch ... es war ihr ältester Sohn! Die von plötzlichem Leid überraschten Eltern ahnten bald die furchtbaren Zusammenhänge. Als sie mühsam mit ihrem toten Sohn zu Hause anlangten, war der Mordbube längst über alle Berge ... und mit ihm das ganze Geld seiner Eltern und andere wertvolle Gegenstände. Er entging so der irdischen Gerechtigkeit, denn von seinem Verbleib hörte man nichts mehr. Er mag wohl in Amerika untergetauscht sein. Die frommen Eltern des von Bruderhand Ermordeten ließen an jener Stelle im "Gehemm" ein mit einer Inschrift versehenes Steinkreuz errichten, das noch heute dort steht.
Quelle: Vereinsgemeinschaft Löstertal (Hrsg.): Das Löstertal in sieben Jahrhunderten. (gekürzte Fassung)